Foto: Oliver Sterchi/Primenews
Rede an der Delegiertenversammlung der SP Baselland, 9. Januar 2020, Bottmingen
Es gilt das gesprochene Wort.
1. Rückblick
Die letzten Jahre (und besonders das letzte) – liebe Genossinnen und Genossen – sind gigantisch gewesen. Klar, wir haben nicht alles erreicht. Nicht alles geklappt. Wir verlieren zusammen. Aber wir gewinnen auch zusammen: Wir sind von der zweitstärksten zur stärksten kantonalen Partei geworden. Wir sind mit Kathrin zurück in der Regierung. Wir haben unsere beiden Nationalratssitze verteidigt. Aber vor allem, neben allen Ämtern, sind wir als Partei stärker geworden, wir haben in den letzten fünf Jahren jedes einzelne Jahr an Mitgliedern dazu gewonnen. Und wir sind als Partei unglaublich klar und fokussiert geworden, haben zu einer klaren inhaltlichen Positionierung und einer verständlichen Sprache gefunden. Das macht Lust auf mehr. Ich freue mich auf alles, was noch kommt für diese Partei. «Wer will schon gerne im Keller wohnen, wenn man weiss, was man vom Dach sehen kann?» (Patent Ochsner, Chäuer)
2. Motivation Gemeindewahlen
Ich bin beeindruckt – wir haben gemeinsam einen unglaublich intensiven und erfolgreichen kantonalen Wahlkampf geführt, wir sind direkt in die nationalen Wahlen und jetzt stehen die Gemeindewahlen an. Das ist ein Rieseneffort. Ich kann euch im Namen der Geschäftsleitung und des Präsidiums, aber eigentlich auch im Namen der Bevölkerung dieses Kantons nicht genug danken für diesen Rieseneinsatz. Ich weiss, dass es oft mühsam ist. Viele von euch hier leisten enorm viel. Ich wünsche euch viel Erfolg, viel Kraft, viel Durchhaltewille für die letzten vier Wochen. Und danke für alles.
3. Persönliche Mitteilung
Bevor ich die Delegiertenversammlung schliesse – möchte ich noch etwas Persönliches sagen.
Ich bin 26 und bald mein halbes Leben Teil dieser Bewegung. Das ist lange für ein junges Leben. Ich weiss, dass einige in diesem Saal 20, 30, 40 oder mehr Jahre Mitglied der Sozialdemokratie sind und ich habe grosse Freude an eurem und unserem gemeinsamen Engagement. Ich bin sicher, dass sich alle von euch noch an ihre ersten Schritte in der SP erinnern können. Bei mir war es so, dass ich dem damaligen JUSO-Präsidenten Reto Wyss ein Mail geschrieben habe, als 14-Jähriger natürlich auf dem Computer meiner Eltern, was das Mindestalter für den JUSO-Beitritt sei. Keines, hat er dann geantwortet, und mich an das Fondueessen der JUSO beider Basel eingeladen. Dort referierte dann Nationalrat Ruedi Rechsteiner darüber, wie sie in Bern den Blocher abgewählt haben.
4. Hoffnungsträger
Das war im Januar 2008, vor 12 Jahren. Sieben Jahre später, an einem Samstagnachmittag im April 2015, durfte ich zusammen mit Regula Meschberger das SP-Präsidium übernehmen. Weil man mich dort in den Medien auch als «Hoffnungsträger» bezeichnete, habe ich euch dort aufgefordert, eure Hoffnung doch auch wieder selbst zu tragen (angelehnt an Peter Schmid, 1989). Ich glaube, das ist gelungen – denn Hoffnung ist so oder so im Kern von sozialdemokratischer Politik. Hoffnung und der Wille zur Veränderung – das Leben der Menschen verbessern. Deshalb gehen die Themen, um die wir uns kümmern von den Prämienverbilligungen bis zur intakten Umwelt, von der guten Rente für alle bis zum Schutz vor Hass.
Und deshalb sind wir eine Volkspartei und zwar eine breite – denn ich bin Präsident von einer Partei geworden, in der sich hunderte Menschen tagtäglich engagieren, egal ob im Sektionsvorstand, der Sozialhilfebehörde, im Einwohnerrat oder im Landrat – diese SP mitzuführen, diese Leidenschaft zu erleben, die Kraft, die sich bei der SP immer von unten her entwickelt, wie im letzten Landratswahlkampf – Fünfhundert von uns haben mit fünfzehntausend Menschen gesprochen! – das ist die berührendste Erfahrung in meinem bisherigen politischen Leben. Ich danke euch, dass ihr das ermöglicht.
5. Amtsältester Parteipräsident
Im Rest der Parteienlandschaft passierte seit dem April 2015 viel:
Ich habe das Präsidium der SVP gehen und kommen sehen.
Ich habe das Präsidium der Grünen gehen und kommen sehen.
Ich habe die Präsidien der GLP und der EVP und der BDP gehen und kommen sehen.
Jetzt denkt ihr, ihr habt den Punkt verstanden, aber es geht noch weiter:
Ich habe das CVP-Präsidium gehen und kommen und gehen und kommen sehen.
Ich habe das FDP-Präsidium gehen und kommen und gehen und kommen sehen.
Mit 26 finde ich es lustig zu sagen: Ich bin der amtsälteste Parteipräsident des Kantons Baselland.
6. Generationenpartei
«Wir sind gleichsam Zwerge, die auf den Schultern von Riesen sitzen, um mehr und Entfernteres als diese sehen zu können – freilich nicht dank eigener scharfer Sehkraft oder Körpergrösse, sondern weil die Grösse der Riesen uns emporhebt.» (Bernhard von Chartres) Dieses Gleichnis ist schon hunderte Jahre alt. Vor fünf Jahren habt ihr mich als Zwerg auf die Schultern der Riesen gesetzt. Gesessen sind dort schon Lisa, Ruedi und Christine, die immer da waren, euer tagtägliches Engagement, eure Leidenschaft, ihr seid das Rückgrat dieser Partei. Dann ist Miriam als Fraktionspräsidentin dazu gekommen, auch dank dir werden Partei und Fraktion heute als Einheit wahrgenommen, wegen deiner Qualität als Leaderin wächst die Fraktion als Team. Dazu kamen dann Samira und Caroline, ohne sie würde in der Geschäftsleitung gar nichts laufen – sie stehen zwar nicht so stark an der Front, aber unzählige Projekte wurden von ihnen angedacht, von ihnen durchdacht, von ihnen umgesetzt, egal ob Kampagnen, Personal & Anstellungen, Kommunikation. Die SP Baselland kann sich glücklich schätzen, euch so stark dabei zu haben. In den Medien stand 2016, ich werde nun «alleiniger Präsident». Alleine, das war ich nie. Ich danke euch für eure Freundschaft und das Team, das wir jetzt seit einigen Jahren bilden.
Zwerge auf den Schultern von Riesen. Die Riesen, das sind zum Beispiel meine Vorgängerinnen und Vorgänger – Pia Fankhauser, Martin Rüegg, Regula Meschberger, Eric Nussbaumer, Lise Nussbaumer, Claude Janiak, Peter Schmid, um jene der letzten drei Jahrzehnte zu nennen. «Zwerge auf den Schultern von Riesen», um dann weiter zu sehen. Ich finde das ein schönes Bild. Es spricht für mich für die gegenseitige Anerkennungskultur, die es in dieser Partei gibt, für die Solidarität zwischen den Generationen. Weil unsere Partei ist eben auch eine Generationenpartei – eine Partei, die nicht nur an einer Delegiertenversammlung vom JUSO-Neumitglied bis zum alt Regierungsrat vereint – sondern das auch in der täglichen politischen Arbeit tut. Um nur ein Beispiel zu nennen: Auf der Einwohnerratsliste der SP Liestal, sind fast die Hälfte der Kandidierenden unter 35, oder ein Drittel der Kandidierenden zwischen 30 und 45 Jahre alt (also in jenem Alter, in dem Beruf, Familie, Politik vereinbart werden muss). Die SP hat sich in den letzten Jahren enorm verjüngt, hin zu einem tollen Generationenmix, vom 16-jährigen Lernenden bis zum pensionierten Arzt. Das ist toll.
7. Pensionierung
Und wenn wir schon bei den Pensionierungen sind: Im Sommer geht ja Ruedi Brassel in die verdiente Pension. Ruedi hat enorm viel Knowhow in das Sekretariat gebracht. Diesen Übergang zu gestalten, ist eine ganz wichtige Aufgabe und eine grosse Herausforderung. Wir haben die Bewerbungsgespräche sehr sorgfältig geführt und machen der GL wie ich finde einen sehr guten Vorschlag. Die Geschäftsleitung wird in 2 Wochen über die neuen Anstellungen entscheiden. Ab Sommer gibt es also einen kleineren Generationenwechsel auf dem Sekretariat – es ist mir immer wichtig gewesen, diesen vom Präsidium aus gut zu begleiten. Das stand immer über meinen persönlichen Überlegungen. Deshalb werde ich im April auch nochmals für eine Wiederwahl als Präsident kandidieren.
8. Meine persönlichen Überlegungen
Meine persönlichen Überlegungen sind folgende: Ich finde es zwar lustig, mit im nächsten Sommer 27 Jahren der amtsälteste Baselbieter Parteipräsident zu sein, aber ich merke auch, dass einiges hinter mir liegt, ein halbes Jahrzehnt Parteipräsidium der coolsten Baselbieter Partei. Seit ich im Präsidium bin, haben wir vier Wahlkämpfe gemeinsam geschultert, zwei nationale, ein kommunaler und dann vor allem diesen unglaublichen kantonalen Wahlkampf, nächsten Monat kommt noch ein kommunaler dazu. Es sind Wahlkämpfe, bei denen ich 200 Prozent gegeben habe und geben werde. Vor allem bei den kantonalen Wahlen hatten wir das Credo: Wir machen jetzt alles, alles was wir gelernt haben, alles was wir können, alles was wir aufbringen. Ich bin voller Leidenschaft, merke aber, dass es schwierig ist, nochmals 200 Prozent für das ähnliche Projekt vier Jahre später zu einzusetzen. Und wenn dieser Moment eintrifft, wenn man merkt, dass man nicht mehr nochmals das Gleiche in der gleichen Aufgabe aufbringen kann, dann ist es Zeit, weiterzuziehen. Ich habe mir die Sache lange und gut überlegt. Es ist Zeit, diese Aufgabe, dieses wunderschöne Amt als Baselbieter SP-Präsident, in neue Hände weiterzugeben. Dann, wenn nicht nur die kommunalen Wahlen, sondern auch der Wechsel auf dem Sekretariat durch ist. Deshalb habe ich für mich entschieden, vorbehältlich von eurer Wahl an der GDV, dann auf die Delegiertenversammlung am 15. Oktober zurückzutreten. Bis im Oktober hat auch die Partei genug Zeit für eine gute Neubesetzung. Ich habe es mir lange überlegt, ich habe es mir gut überlegt, aber und das will ich euch nicht verschweigen: «Partir, c’est mourir un peu.» (Edmond Haraucourt) Ich spüre den Wehmut schon.
9. Vertrauensvorschuss
Es geht um Zukunft: Den vielen jüngeren Mitgliedern unserer Partei und jenen, die vielleicht noch nicht ihr halbes Leben bei der SP dabei sind, will ich Mut machen – übernehmt weiter oder vielleicht neu Verantwortung. In welcher Funktion auch immer: Ortparlament, Sektionsvorstand, Geschäftsleitung, vielleicht auch Parteipräsidium (egal ob Parteipräsident*in, Vizepräsidium, Co-Präsidium). Denn, was ich gelernt habe in diesen fünf Jahren, und was mich immer noch tief berührt – gerade wenn junge Leute bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, haben die Leute in dieser Partei eine unglaublich hohe Bereitschaft, jungen Menschen einen Vertrauensvorschuss zu geben. Denn dieser Vertrauensvorschuss, den ihr mir und uns im April 2015 gegeben habt, ist vor der Arbeit gekommen, die wir zusammen geleistet haben – dafür, für diesen Mut, ja diese Hoffnung, habt ihr meinen ganz grossen Dank. Ich hoffe, diese Arbeit ist zu eurer Zufriedenheit gewesen.
Ich danke euch also für dieses Vertrauen, das ihr mich immer habt spüren lassen. Eure Motivation. Eure tatkräftige Arbeit. Eure Verlässlichkeit. Aber auch eure Worte der Kritik. Aber vor allem einfach dafür, dass ihr aktiver Teil dieser Partei seid. Eure rege Teilnahme, die ist wirklich nicht selbstverständlich, auch an nicht gerade als Happenings bekannten Delegiertenversammlungen. Dass die Teilnahme an den DVs in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist, dass Mitglieder dieser Partei von ihren Ferien aus Graubünden ins Tal hierhin fahren, um heute dabei zu sein oder dass Frau Regierungsrätin das Znacht des Jahrestreffens der Kantonsregierungen im Berner Oberland schwänzt für diese DV– ja, das berührt mich.
10. Zukunft
Bevor ich aber noch sentimentaler werde: Bis zum 15. Oktober geht es aber noch eine Weile. Und nachher wird es mir auch nicht langweilig. Ich entdecke dann meine beruflichen Perspektiven neu. An einem Neujahresapéro habe ich einen Headhunter kennengelernt, das ist ein sehr spannender Job, er nennt seine Aufgabe «Executive search» – ich habe da wohl schon ein Jobangebot, denn ich habe für die Regierungsratswahlen auch schon «Executive search» gemacht und habe eine 100% Vermittlungsquote. Aber zuerst haben wir noch einen Wahlkampf zu gewinnen und dann geht es noch 8 Monate. In dieser Zeit will ich als Präsident weiter alles geben und danach als sogenanntes «einfaches Mitglied», als Teil der Parteibasis. Darauf freue ich mich auch, denn ein SP-Präsident weiss: Die Kraft der Sozialdemokratie kommt von unten, von der Parteibasis. Ich freue mich auf alles, was noch kommt. Danke für eure Unterstützung – ich schliesse diese Delegiertenversammlung.